Zürimetal / Wie es begann…

Zürimetal half nicht bloss, den 80er-Jahre (Heavy-) Metal aus dem Strampelanzug zu quetschen, sondern zertrat ihm gleich noch den Schnuller. Lokale Bands wie Hellhammer, Celtic Frost oder Coroner leisteten dazu einen nicht unbeträchtlichen Beitrag.

Inhalt

Vorgeschichte

Britische Gewässer

In den frühen Achtzigern schwappte NWOBHM (New Wave of British Heavy Metal) an die Gestade des kontinentalen Europas und erreichte letztlich – wie auch immer – das Binnenland Schweiz. Mixtapes mit Kompositionen von Saxon, Angel Witch, Raven, Samson, Tank, Raven, Venom, Iron Maiden und Konsorten machten die Runde, wie in auserwählten Läden (RecRec Zürich, BRO Records St. Gallen) bald auch Vinyl zu erwerben war. Oder du plantest gleich den Trip an die St Anne’s Court im Londoner Soho, wo mit etwas Glück noch der eine oder andere Musiker anzutreffen war. Obwohl im Grunde ja jedeR (sic!) so tat als ob.

Wer sich nun zur Behauptung hinreissen liesse, die neue britische Welle hätte ihn (oder sie) in ihrer Gesamtheitaus schlichtwegs aus den Socken katapultiert, übertreibt mit Sicherheit. Zu verspielt kam der Sound allenthalben daher, zu Seventies orientiert, gelegentlich gar kitschig, aufgedonnert und nicht selten verkrampft ehrgeizig. Dennoch aber checkte ziemlich jede*r, dass soeben ein neues Kapitel Musikgeschichte aufgeschlagen worden war. Es musste nur noch geschrieben werden…

Ob die NWOBHM nun Movement oder aber eigener Musikstil darstellt, darfst du im Kreise von Kollegen und Freunden gleich selbst diskutieren. Immer noch besser, als Ozzy versus Dio zum Tausendsten gelabbert. Oder hat da wer an Blues gedacht? Eine umfangreiche Auflistung von NWOBHM Bands findest du übrigens HIER.

Im Norden

Bald waren auch Lebenszeichen aus dem Norden zu vernehmen. Eine Truppe aus Kopenhagen veröffentlichte 1982 ihre EP mit unmissverständlicher Covergestaltung. Augenzwinkernd verbreiteten Mercyful Fate – wohl ohne Betroffene zu Wort kommen zu lassen – die These, dass insbesondere weibliche Geistliche des Spasses radikal zu kurz kämen (Nuns Have No Fun). Noch heute beherrscht Sänger King Diamond eine umfangreiche Varietät an Stimmlagen bis hin zum charakteristischen Falsetto. Wodurch der stimmliche Ausdruck Dialogcharakter erhält, was dem Sound einen musicalmässigen Anstrich verpasst. Die Zweckentfremdung diverser christlicher Artefakte, vor allem aber Kreuze, gehört zum zentralen Bestandteil jeder Show. Und jetzt denkst du natürlich gleich Schwarzmetall.

Übersee

Etwas weiter weg in der Bay Area trachtete ein Haufen junger Wilder in zerschlissenen Jeans danach, sich mit stets noch schnelleren, härteren Riffs zu überbieten. Pubertär angehauchte Sozialkritik erzeugte den zugehörigen lyrischen Niederschlag. Vier von denen releasten 1983 ihr Vinyldebut, welches sie kurzum Kill ‘Em All nannten, was gleichzeitig – wie ich meine – ihr bestes Album bleiben sollte. Bands wie Exciter (1983, Heavy Metal Maniac), Slayer (1983, Show No Mercy), Megadeth (1985, Killing Is My Business…), Flotsam and Jetsam (1986, Doomsday Deceiver) und unzählige andere legten kurz darauf Alben hin, die die Welt so noch nie gehört hatte. Man sprach von Thrash oder Speed Metal als Genrebezeichnung, was sich in der Folge bis ins Unergründliche verwirren sollte.

Zürimetal

Die Entwicklung hin zu extremerem Metal war hierzulande nicht unbemerkt geblieben. Dafür sorgte eine wachsende Zahl von Fanzines und zusehends professionell gestalteter Zeitschriften. Nicht zuletzt aber halfen Bands wie Iron Maiden oder Judas Priest, dem Metal Stubentauglichkeit zu attestieren und der Szene Aufschub zu verpassen.

Weshalb es jedoch gerade unserer winzigen Alpennation immer wieder gelingt, einzigartige Bands hervorzubringen, mag wild spekuliert werden. doch auch hier verweise ich auf den lebhaften Diskurs in der Runde deiner Mitmenschen.

Folgend einige herausragende Exemplare aus dem Kanton Zürich, denen es entweder gelungen ist, in die Annalen einzugehen oder aber es mehr als verdient hätten.

Hellhammer

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Die Geschichte von Tom Gabriel Fischer wird am besten (und liebsten) gleich von ihm selbst erzählt. Sie handelt von Katzen, Nürensdorf und (letztlich) Selbstfindung. Unter anderem inspiriert von Bands wie insbesondere Venom erweckte er Hellhammer zum Leben, deren Musik und Erscheinungsbild dazumals als äusserst provokant galten. Mehr oder weniger bewusst kratzte Fischer und Kollegen an einer christlich doktrinierten, entsprechend ausserordentlich verlogenen Gesellschaft, worin insbesondere Tom himself sich am allerwenigsten platziert haben wollte resp. sich ganz und gar nicht aufgenommen fühlte. Mit ihrer Performance trafen die jungen Musiker den Nerv einer mehrheitlich jungen Generation, welche die technischen Unzulänglichkeiten der Instrumentalisten entweder nicht kümmerte oder diese sogar höchst willkommen hiess.

Hellhammer jedenfalls gehört bis heute zum Grundwortschatz jedes Black Metal Puristen.

Hellhammer – 1983 – Satanic Rites – 02 – Messiah

Als Apocalyptic Raids dann endlich in den Läden erschien, war die Reformation zu Celtic Frost bereits beschlossene Sache. Tom Fischer und Martin Stricker war das Hellhammersche Korsett definitiv zu eng geworden und versprachen sich mit dem Nachfolgeprojekt erweiterte künstlerische Freiheiten. Dass die Rechnung aufging, wissen wir alle.

Coroner

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Davon, dass Prophetie innerländisch sich zuweilen anspruchsvoll gestaltet, können Coroner ein Liedchen singen. Als 1986 ihr Death Cult Demo erschien, fand dieses vorerst mehrheitlich in Musikerkreisen Beachtung. Diese lobten die filigran klassischen Elemente von Tom Vetterlis Gitarrenspiel in höchsten Tönen, wobei die schreibende Zunft sich eher noch des Prädikats “jazzig” bediente, ganz einfach, weil es mehr hermacht. Handwerklich reichten die Möglichkeiten der drei Musiker auf jeden Fall weit über jene gemeiner Kolleginnen und Kolleginnen hinaus, was diese freimütig einzuräumen bereit waren. Dass (oben genannter) Tom G. Fischer sich noch dazu bereit erklärte, für Demoaufnahmen die vakante Vokalistenrolle zu übernehmen, geriet marktstrategisch keineswegs daneben.

Wenngleich Coroners Musik als eher schwerzugänglich gilt, gelang es ihnen, der damals bereits dicht besiedelten Thrashwelt einen einzigartigen Sond hinzuzufügen und Scharen von Musikern zu inspirieren.

Calhoun Conquer

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Dass keine*r Calhoun Conquer wirklich kennt, liegt etwa daran, dass es sie nie so richtig gegeben hat. 1987 ins Leben gerufen, geriet lediglich je eine EP und LP auf den freien Markt. Den Longplayer Lost in Oneself produzierte immerhin Harris Johns (Voivod). (Wenigsten von mir) wird der Silberling als Perle der Schweizer Musikgeschichte bezeichnet. Die originale CD kaufst zu ansehlichen Preisen auf gängigen Plattformen.

Calhoun Conquer – 1989 – Lost In Oneself – 03 – You Mean Nothing

1991 begaben sich die Gerling Brüder erneut ins Studio, um das Nachfolgewerk Consequences of Decay aufzunehmen, welches leider nie an die Öffentlichkeit gelangte. Manche behaupten, das Erzeugnis existiere in finaler Form, andere verneinen dasselbe. Die Brüder selbst stellen sich für Nachfragen nicht mehr zur Verfügung.

Weiterführend

…findest du HIER eine Übersicht über aktuelle Züribands (in Ergänzung).